Dirk Topolewski berichtet über Schnellschach in Dortmund

Wer gerne mal wieder an einem perfekt organisierten Schachturnier in angenehmer Atmosphäre teilnehmen möchte, dem kann man die Schnellturnier-Serie im Mai jeden Jahres in Dortmund uneingeschränkt empfehlen. Bereits Monate vorher erhält man über den Newsletter von Pit Schulenburg die Ausschreibung mit den Terminen. Auf der Webseite lässt sich dann der Stand der Voranmeldungen verfolgen. Ein paar Tage vor Beginn erhielt ich per Email Tipps, wo man kostenlose Parkplätze in der Umgebung findet. Wer länger ausschlafen möchte oder sich verspätet, der kann in den ersten 2 Runden sogenannte  „Bye-Remis“ (kampflose halbe Pkt.) nehmen. Der Beginn des Turnieres und der einzelnen Runden erfolgte fast auf die Minute pünktlich. Etwas, das ich in den vergangenen Jahrzehnten kaum einmal bei einem großen Schnell-/Blitz-Turnier erlebt habe. Die Räumlichkeiten lassen ebenfalls nichts zu wünschen übrig: ausreichend Platz und Bewegungsfreiheit, sowie Stühle, die den Namen verdienen. Okay, nicht jeder Schachverein hat das Glück, über ein gutes Spiellokal zu verfügen. Aber wenn ich die Locations in Dortmund mit den Hinterzimmern der heruntergekommenen Ruhrpottkneipen vergleiche, in denen wir manches Auswärtsmatch auf Verbandsebene bestreiten mussten, ist das schon ein Unterschied wie Tag und Nacht. Gerade für Leute mit chron. Rückenproblemen (wie meine Wenigkeit) ist es eine Tortur, wenn man sich stundenlang auf einen altersschwachen Stuhl in beengten Räumlichkeiten quetschen muss (z.B. bei RE-Ost).

Überhaupt ist die ganze Atmosphäre bei den Schnellturnieren in Dortmund sehr relaxed: kein reklamieren, kein lamentieren, keine Mauscheleien, keine unangebrachten oder wdh. Remisangebote und vor allem (aufgrund der kurzen Bedenkzeit) keine Gefahr von „E-Doping“. Sondern einfach nur faires und korrektes Schach, den Regeln entsprechend. 

Im Web wurde schon wiederholt diskutiert, warum es einerseits in manchen Schachbezirken einen großen Mitgliederschwund gibt, andererseits aber eine Reihe von Open-Turnieren Rekordteilnehmerzahlen registrieren und teilweise schon Wochen vorher ausgebucht sind. Die Erklärung dafür liegt wohl in der demografischen Entwicklung: das Durchschnittsalter der aktiven Schachspieler wird  immer höher und so sind kurze Open-Turniere in entspannter Atmosphäre und entsprechendem Ambiente einfach attraktiver als die Tretmühle der Mannschaftskämpfe mit verschiedenen stressigen und auch unangenehmen Begleiterscheinungen. Wenn man sich diese Entwicklung anschaut, dann könnte es ein Fingerzeig für die Vereine sein: die Saison mit den MK´s verkürzen (es ziehen sich sowieso immer mehr Mannschaften zurück, verzichten auf das Aufstiegsrecht, etc.) und dafür Teilnahmen an offenen Turnieren (4er-Blitz, Mannschafts-Schnellturniere usw.) anbieten oder auch selbst organisieren. Dass Letztgenanntes nicht sooo schwierig ist, demonstrieren Pit Schulenburg und seine Leute in Dortmund immer wieder in Perfektion.

Am Donnerstag, den 5.5., fand in DO-Aplerbeck das traditionsreiche Ewaldi-Open mit  fast 160(!) Teilnehmern statt. Die Spitzenplätze belegten am Ende Sandkamp vor Pak, Schmücker und Tkachuk. Ich erreichte einen sagenhaften 43(!).Platz mit 6,5 (11). Vorher hatte ich 3 Monate lang keine Schachfigur angefasst (auch nicht mit dem Mauszeiger). Da  sich keinerlei Entzugserscheinungen zeigten, erwog  ich, entweder das Schachbrett an den berühmten Nagel  zu hängen oder aber zu testen, ob Schach vielleicht doch noch etwas Spaß machen könnte.  Deswegen nahm ich in Aplerbeck teil. Und Spaß gab es dann auch reichlich. Gleich zu Beginn, allerdings nur auf Seiten meiner Kontrahenten. Mein Gegner in Runde 1 hieß Räuber, hatte DWZ 1690 und spielte auch ein wahres Räuberschach: erst nahm er meine inkorrekt geopferten, später dann die eingestellten Figuren weg. Am Ende der Partie hatte ich 3 Offiziere weniger und überschritt die Zeit, während er noch mehr als 10 Min. (von 15) auf der Uhr hatte! Im weiteren Turnierverlauf fabrizierte ich noch einige „Glanzleistungen“ und am Ende dämmerte mir die Erkenntnis, dass man Schach vielleicht  nicht verlernen kann, aber Turnierpraxis möglicherweise doch eine etwas gewichtigere Rolle spielt….

Am Samstag ging es weiter mit der 19. Auflage des WHH-Open. „Nur“ mit 60 Teilnehmern, dafür aber in der Spitze deutlich stärker besetzt. Unangefochtener  Turniersieger wurde der IM (und fast GM, eine Norm fehlt nur noch) Ilja Schneider aus Berlin. In der abgelaufenen Bundesliga-Saison besiegte er u.a. den „Super-GM“ (2700+) Fressinet. Zweiter wurde der Schnellschach-Spezialist IM Zaitsev vor IM Podzielny. Für mich reichte es am Ende zu einem durchschnittlichen Ergebnis mit 7,5(11) und Platz 5-8.

Interessant war die Partie gegen den Turniersieger: http://www.viewchess.com/cbreader/2016/5/10/Game16945577.html

Am Samstag, den 14.5.,  geht es weiter mit dem Lüner Open (DWZ-Beschränkung < 2100) -> http://pitschulenburg.de/lun/lun_ausschreibung.html